Ilse Bindseil

Von A bis Zett – meine Welt im Porträt

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Das Charisma des Cartesianismus

Er gehört zu den ganz großen Verlierern der Geschichte.

Daß die Philosophie sich an der Mathematik mehr als bloß im regulativen Sinn ein Beispiel nehmen kann, wird sich als Phantom erweisen. Der Königsweg der Erkenntnis wird sich als Sackgasse herausstellen. More geometrico ist und bleibt eine Metapher.

Daß Wahrheit Wissen ist oder vielmehr Gewißheit, abzuspeichern in einem Kompendium aufeinander aufbauender Sätze, die im apodiktischen Sinn richtig sind, wird sich nicht geradezu als falsch, aber als esoterisch erweisen, als gut für die Geometrie, aber nicht gut für die Geschichte. Wahrheit ist Werden; nicht das Stabile interessiert, sondern das Veränderliche, ja das Prinzip der Veränderung selbst (und an ihm interessiert letztendlich nicht die Bedeutung, sondern der Mechanismus).

Aber als Vico – erzählt Erich Auerbach – die spätmittelalterliche Welt mit seiner Geschichtsphilosophie revolutionieren will, da hat sie sich, in den Jahren seines schöpferischen Rückzugs, längst selbst revolutioniert und ist rationalistisch geworden. Zumindest gegenüber diesem einsamen Philosophen hat der Cartesianismus gesiegt. Gegenüber der Geschichte wird er verlieren.

Das Verschwinden der Wahrheit wird nur von denen beklagt werden, die in ihrem Herzen Metaphysiker geblieben sind, mag auch das Outfit sich modernisiert haben. Die Geschichte ist über sie hinweggegangen und hat sie als schlechte Denker entlarvt: Hätten sie nicht merken müssen, daß sich etwas Wesentliches verändert hat, nämlich der Gegenstand ihres Denkens? Hätten sie das nicht gerade als Denker merken müssen?

Wenn wir nur ein Zehntel des Aufwands, den wir mit der Wahrheit betreiben, auf die Beobachtung unseres Gegenstands wendeten, dann kämen wir ihr schon näher, sagen die Empiristen.

Wahrheit oder nicht, werden die Skeptizisten sagen: Hauptsache, die Sache funktioniert.

Mit Macht wird die Sache ins Geschäft gebracht. Das cartesianische cogito wird zum »Ich denke mal«, zum experimentierfreudigen »Gesetzt den Fall«, zum »Nehmen wir mal an« (Robert Gernhardt). Der Gegenstand ist nur gefragt, insofern er Objekt, Subjektivität nur, insofern sie beweglich ist. Um der Natur, die sich in Gesetzen organisiert, auf die Schliche zu kommen, muß der Mensch beweglich sein; er muß von sich absehen können, er muß sich notfalls selbst, seine eigene Vernunft muß er zum Gegenstand machen können.

Und nicht: Ich denke, also bin ich.

Nicht: Starre Gesetze erfordern eine starre Betrachtung. – Sie erfordern eine standardisierte Betrachtung, aber einen beweglichen Betrachter!

Nicht: Ich denke, also bin ich. Sondern: Ich denke mal – und das hat mit Sein gar nichts zu tun.

Nicht: So ist es. Vielmehr: So könnte es gehen.

›Es‹, das ist der Sachverhalt, dem ich meine Gedanken unterlege.

Als Verlierer steht Descartes auch innerhalb der philosophischen Lehre da, der lebendigen Tradition. In der höheren Gymnasialstufe oder im Proseminar wird er zur Lektüre herangezogen und gewissermaßen verbraucht, wie etwas, was man nicht weiterdenken, was man sich nur klarmachen, womit man sich lediglich in Form eines Exerzitiums beschäftigen kann, einer zwecklosen Übung.

So als wäre mit den Grundlagen kein neuer Anfang zu wagen, als hätten sie ihre Chance gehabt!

Wie Descartes zum finsteren Exempel: Wenn der Verstand die »bestverteilte Sache der Welt« (Discours) und der Gedanke für alle da ist, sogar in der Volkssprache gedacht werden kann, dann soll sich auch das Volk mit ihm beschäftigen!

Descartes genießt den seltsamen Vorzug, als Grundlage allgemein, aber kein Anfang zu sein. Oder er ist Anfang im Sinn einer Grundlage, nicht eines Beginns; kurz, er ist diskontinuierlich. Oder, bei aller Redseligkeit, aller Erzähllust, aller autobiographischen Lust, die seine Darstellung ganz untypisch prägt, ist er kontemplativ, analytisch und, ungeachtet alles revolutionären Gestus, auch des radikal subjektiven Gestus, eher mit der Ewigkeit als mit dem Werden befaßt.

Vielleicht ist deshalb seine Wirkung so verstörend, und mancher, der ihn in seiner Jugend wörtlich genommen hat, verwechselt sein Leben lang Wahrheit und Wirklichkeit.

Allgemein ist das Prozedere des Verstands, der der »Regeln zur Ausrichtung« bedarf, nicht eines Elixiers zur Stärkung der ›Erkenntniskraft‹. Es läßt sich auf einen einzigen Satz reduzieren: Eins nach dem andern! Dieser Satz, als rein methodische Anweisung, ist erhaben über die substantialistische Frage nach dem Grund, der das Denken mit allem, was nicht Denken ist, verknüpft, mit Affekt und Substanz. Der Verstand ordnet sich als Verlauf, macht sich dergestalt immun gegen die Dialektik des Ursprungs: daß man mit ihm um den Anfang konkurrieren muß. Nicht nihil sine causa ist sein Prinzip, sondern nihil sine ratione, nichts ist ohne – Verstand!

Die Logik ordnet das Sein. Der Verstand ordnet den Verlauf. Es ist der Verlauf dessen, was man denken kann. Gegenüber dem dynamischen Appeal des Werdens verteidigt er das coole Nacheinander des Gedankens. Nicht, es wird schon werden. Sondern, es – worum auch immer es sich handeln mag – bedarf der Ordnung. Zwar ordnet der Verstand nichts als sich selbst; denn das Sein ist, und nur der eigenen Ordnung bedarf der Verstand, um zu sehen, daß es geordnet ist; und was nicht gedacht wird, das wird. Aber wo immer er in Erscheinung tritt – und die Zukunft wird zeigen, daß das auch für die Sphäre des Werdens gelten wird –, da soll er einen Verlauf herstellen: Nicht alles auf einmal!

Allgemein ist auch der Verstand, ratio, und selbst wo Rationalisierung, abwehrender, aussondernder, affektgeladener Verstand ins Spiel kommt – »Ich bin (nun mal) Rationalist!« –, so erkennt man doch stets das allgemeine Vermögen in ihm und empfindet Sehnsucht, sich von den partikularen Zwecksetzungen zu befreien und sich – in einer cartesianischen ›Nachanalyse‹ – auf das Wesentliche zu besinnen; denn cogito ist nicht der Anfang, sondern das Ziel.

So absurd es ist, mit einer Methode zur Herstellung des Verlaufs von Verstandeshandlungen ein Sein gestalten zu wollen, also rationalistisch Metaphysik zu betreiben, so absurd muß es sein, mit ihr ein Werden zu gestalten, also die Natur, oder ein naturwüchsiges Sein zu gestalten, also die Gesellschaft. Auf allen drei Gebieten hat Descartes sich kräftig blamiert; sein Gottesbeweis ist eine Posse, seine Theorie über den Blutkreislauf ein Flop, sein Exkurs über Architekten und die Schönheiten der einheitlichen Bauweise ein Schauermärchen. Aber erstens hat der offensichtliche Unsinn, der sich mit der cartesianischen Methode anrichten läßt – sobald man sie anwendet –, das Wahrheitsversprechen, das ihr anhaftet, nicht im mindestens beeinträchtigt, und zweitens hat offensichtlich der irrationalste der drei Bereiche, Gott, Natur und Gesellschaft, nämlich die letztere, nach dem Rationalismus als Erklärungs- und Ordnungsmacht förmlich verlangt, und noch der gestandene englische Empirist argumentiert als Rationalist, sobald er vom Staat handelt und von dem, was der Gesellschaft ›zum Grunde‹ liegt, und bemüht nicht die beobachtende, sondern die konstruierende Vernunft.

In der Geschichtsphilosophie wird man das Konstrukt der Gesellschaft durch die Natur der Geschichte ersetzen, ihr Werden; die Gesellschaftsphilosophie wird weniger rhetorisch, dafür prophetischer; weniger absurd, dafür irrationaler.

Für die empiristische Erkenntnis ist der Rationalismus unverzichtbar, im Sinne eines zugleich untergeordneten, also ›bloß‹ methodischen Prinzips, das den Verstand instrumentalisiert; das erstere repräsentiert das Ganze, wogegen das letztere eben bloß die Methode repräsentiert, oder nicht einmal dies, da das empiristische learning by doing die Praxis einschließt, learning by trying, so daß für den Rationalismus kaum mehr als eine Haltung übrigbleibt. »Nun mal langsam! Immer hübsch nacheinander! Eins nach dem andern! Was siehst du?« Dagegen empiristisch: »Was siehst du? Ich frage nicht, was du denkst, sondern was du siehst! Himmel noch mal, guck doch hin!« Da die Verschiebung vom Gegenstand auf die Methode die Möglichkeit der Rekapitulation und Korrektur eröffnet – »Stop! Noch mal von vorn!« –, erweist der Rationalismus sich als die empiristische Methode par excellence, als die Reflexion des Experiments: »Was hast du zuerst getan, und was ist dann passiert?« »Also, zuerst hast du das getan, und ist dann gleich …, oder hast du erst noch …? – Denk doch mal nach!«

Überall wo nicht bloß wahrgenommen, sondern nachvollzogen und -gebaut werden soll, kommen Konstruktionsregeln zur Anwendung. Bevor sie den Gegenstand betreffen, betreffen sie den Verstand. Der Umbau der Sinne in einen Einbildungsapparat, in einen Anschauungsapparat findet statt, aus der klassischen Perspektive: die Umzentrierung der Metaphysik, der Einbau des einzelnen in das Sein als Vorstufe zum Einbau des Seins in den einzelnen. Empiristisch wird ein Umbau des ›Einbildungsapparats‹ in einen Wahrnehmungsapparat stattfinden, der die Sinne und die Wahrnehmungsinstrumente zusammenfaßt, keine metaphysisch haltlose Trennung zwischen der Person und ihren Hilfsmitteln vornimmt, sondern ›das Sinnliche‹, ›die Wahrnehmung‹ enger verwandt sieht als etwa den Verstand des einzelnen und seine Augen. Rationalistisch findet – indem das klassisch Metaphysische sich dem Subjekt als dessen Fähigkeit einschreibt – der Umbau der realistischen ›Fotoagentur‹, die sich die Welt im Modus eins zu eins abbildbar dachte und damit zum Inbegriff sowohl normalen als auch ›steinzeitlichen‹ Denkens wurde, in ein Konstruktionsbüro statt, das, einfach, ja spartanisch eingerichtet, geradezu kahl, der Aufnahme der kompliziertesten Vorgänge fähig ist.

Bevor der Verstand anfängt, die Welt nachzukonstruieren, konstruiert er sich selbst. Die Regeln, die er in Anwendung bringt, regeln noch nicht sein Verhältnis zum Gegenstand; sie regeln ihn. Sie setzen ihn in den Stand, einem Gegenstand zu begegnen, existentialistisch: ihm standzuhalten. Ein Gegenstand setzt ein Gegenüber voraus; auch das muß hervorgebracht werden, sonst hält es dem Gegenstand nicht stand. Auch an ihm muß gearbeitet werden. Es muß, ohne ein Ding zu werden, ein Ding werden, es muß eine Instanz und ein Mechanismus werden, kurz ein Apparat oder eine Behörde, durchaus kein selbstgenügsames System, sondern ein strukturiertes, objekthungriges Subjekt. Bei Descartes reicht es noch, wenn es erst einmal eine Behörde wird: viel Autorität und noch nicht soviel dahinter. Aber ohne die Instanz geht es nicht, und zur Regelung des behördlichen Verkehrs – wenn die Realien vorstellig werden und um Anerkennung nachsuchen – reicht vorerst das mathematische, das zukunftsträchtig bürokratische Prinzip: Eins nach dem andern.

Wenn man mehr über die Gegenstände weiß, wird man genauer wissen, was man braucht, um sie im Kopf konstruieren zu können. Zunächst muß man nach allen Regeln der Kunst ›einsehen‹, daß es den Verstand gibt und daß man sich, bei gehöriger Pflege, auf ihn verlassen kann; so wie ›wissen‹ bei Descartes überhaupt nicht ein Schaltmechanismus, bedient durch einen Kippschalter, ist, sondern ganz im Sinne von Fontane ein ›weites Feld‹, ein Bereich. ›Einsehen‹, das ist nicht nur, wie das Wort sagt, ein Prozeß, es ist schon beinahe eine Lebensform. Zuallererst setzt Wissen die Existenz von Regeln voraus; und wenn das nicht die Philosophie selbst lehrt, dann lehrt es eben die Mathematik. Oder wenn genau das die Philosophie schon einmal ins logische Abseits geführt hat, nämlich die Verselbständigung der Regeln, so wird die Mathematik mit ihrem Hang zu ästhetischer Einfachheit sie da herausholen; sie ist die Verkörperung des Maßes, und ohne Regeln geht es nun mal nicht. Der Verstand wird ein Funktionsmechanismus, ein Regelwerk. Die Sache, res extensa, wird fest, im Prinzip undurchsichtig, sie wird dumm und verläßlich, also alles das, was man abfällig stabil nennt. Es ist wichtig, wenn man beides trennt und verläßlich auseinanderhält, sonst fängt man noch an, den Verstand zu wiegen und ein Faß Heringe gehörig ›einzusehen‹.

Noch funktioniert der Verstand weitgehend ohne Gegenstand, und nicht nur die Regeln, sondern auch ihre Berührungspunkte untereinander sind wenige, Kreuzungen selten. Das Ziel geht noch auf Einfachheit des Verstandes, noch nicht auf Adäquatheit, was die Gegenstandswelt betrifft. Der Anblick greift ans Herz. Rührend die Ernsthaftigkeit, so als sollte es in den Krieg gehen; rührend die apodiktische Zwecklosigkeit, der ganz und gar unpsychologische Subjektivismus, der alles andere als grüblerische Hang zur Meditation, die alles andere als mystische Form der Kontemplation; und dies alles nur, weil jetzt der Verstand gedacht und dabei in allerdings mystischem Entzücken wahrgenommen wird. Rührend ist diese alles andere als narzißtische Ichbezogenheit, bei der das Ich noch weit mehr Anteile der platonischen Idee als etwa psychologische Anteile hat, über alles in der Welt reizend ist dieses nicht ichhafte Ich!

Für einen kostbaren Moment scheint die unerbittliche Subjekt-Objekt-Beziehung suspendiert: Das Subjekt präsentiert sich, so wie es ist, durchaus auf ein Objekt bezogen, zu seinem Empfang bereits aufgestellt, keineswegs auf sich ›zurückgeworfen‹, sondern gut präpariert; aber noch ohne Objekt (und wie reizend ist ein Mystiker, den man für sich betrachten darf, im Zustand der Erwartung)!

Die cartesianischen Kategorien des Verstands, mathematische Kategorien eben, haben noch gar nicht dies forciert Erwartende; auch wenn man schon neugierig ist auf das, was kommt, und dann kommt außer Mathematik gar nichts. Genausogut könnte man sagen, daß sie den Verstand umspielen, wie Adjektive das Subjekt, daß sie ihn umkreisen. Sie halten die Mitte zwischen dem Objekt, das sie ›in Abwesenheit‹ vertreten, und dem Subjekt, das sie ›ausrichten‹. Sie kreieren damit jenen Schwebezustand, der etwas Bezauberndes, um nicht zu sagen Erleuchtetes hat. Als ein historischer Augenblick ist er durch und durch vergänglich, zur Vernichtung bestimmt durch das, was er ansteuert, was nach ihm kommt: in der Tat das Objekt und seine eigene forcierte Zurichtung.

Nicht als tragende Schicht, Fundament, nach den Gesichtspunkten der Statik, nicht als Argument nach den Gesichtspunkten der Logik, sondern nach den Bedingungen der Methode konstruiert, des reinen Verlaufs, ist der Verstand Voraussetzung für anderes, aber diesem anderen keineswegs auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, womit der zeitgenössische Rationalist kokettiert, wenn er die Unterwerfung seines Verstands unter das Mögliche als Resignation ausgibt; und das gilt, selbstredend, auch umgekehrt. Der cartesianische Verstand aber ist noch viel zu sehr mit der Entdeckung seiner selbst als eines Universums beschäftigt, als daß er sich die Welt zur Kolonie machen könnte, und sich zum Verwalter. Vielleicht, übrigens, ist der moderne Rationalist ein ängstliches Huhn, das vor allem zittert, was nicht Verstand ist, und vielleicht versteckt sich hinter der rationalistischen Angst vor Gefühlen in Wirklichkeit eine irrationale Angst vor dem unbefangenen Gebrauch des Verstandes, eine Gefühlsangst vor dem Verstand! Zum Rationalisieren, zur Kolonialisierung nicht primär der Welt, primär vielmehr seines Verstandes, wäre der moderne Rationalist deshalb förmlich verurteilt. Er hält die nicht-rationalistisch, im Übersprung auf Zwecke und Anwendungen hin organisierte Vernunft nicht aus, das reine Vermögen, das zugleich mit dem Versprechen einer ›Verfügung über‹ (»Macht euch die Erde untertan!«) eine vom Verfügungsgedanken ablenkende Ebenbildlichkeit mit Gott, mit sich selbst verspricht, eine Andersheit gegenüber den Dingen. Das Vergehen jenes in der Tat vergänglichen, zugleich aber für das Denken konstitutiven Augenblicks, in dem der Verstand seiner selbst inne wird, muß er beschleunigen – ach, denkt er, würde er doch gar nicht existieren!

Der Cartesianismus eröffnet einen beschränkten Blick auf die Welt, die er zur res extensa macht, aber er eröffnet einen unbeschränkten Blick auf den Verstand. Wenn der seinen Umgang mit sich selbst zum Vorbild nähme für seinen Umgang mit dem Gegenstand – wenn er also auch ihm den Spielraum einräumte, sich selbst unbeschränkt wahrzunehmen, anstatt daß er ihn als einen beschränkten, res extensa eben, wahrnimmt –, wenn er also seinen beschränkten Begriff der Adäquatheit aufgäbe und als deren Maß den Begriff der Unbeschränktheit nähme, dann käme er dem Geheimnis einer Übereinstimmung von Sache und Begriff womöglich näher. Daß es nicht die pure Willkür ist, dies ausgerechnet vom Cartesianismus zu fordern, gar zu erwarten, wo der mit dem Konzept der res extensa den vielleicht entscheidenden Schritt zur Ungleichheit zwischen Subjekt und Objekt getan hat, liegt an seinem kontemplativen Bezug zum Verstand, an der zweckfreien Freude über die »leuchtende Klarheit in meinem Verstand«, an der Freude an zweckfreier Klarheit als dem, was nur dem Verstand zugute kommt, bis hin zur Tautologie: klar, das ist nun mal nur der Verstand, und leuchten wird auch nur, was er über sich selbst sagt, in einer Form, die beinahe schon ein Erzählen ist. Von Einsehen ist da die Rede, von Intuition, vormals vielleicht metaphysische Kategorien, jetzt schon Erzählkategorien; da ist keine Anwendung. Ausgerechnet von ihm Übereinstimmung der Dinge mit sich selbst zu verlangen hat seine Berechtigung in der Angemessenheit der Begriffe, die er für den Verstand gefunden und mit denen er in der Tat den Begriff der Angemessenheit vorangebracht hat. Wenn das nicht ein Anfang wäre, kein historischer, den hat der Cartesianismus als der sprichwörtliche ›Beginn der Neuzeit‹ gehabt; sondern ein systematischer!


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